Straßen, Wege, Furten

Hier findet man Auszüge aus der Festschrift 1000 Jahre Ohsen

Schnellstraßen und breite Brücken halten heute im Weserraum den Verkehr flüssig. Kaum vorstellbar, dass früher die Überquerung des Stromes oft ein Problem war. Die ursprüngliche Form und damit die einzige Möglichkeit den Fluss zu überqueren, war die, eine seichte, bei normalem Wasserstand gangbare Stelle durch das Flussbett zu finden. Diese „Furten“ genannten Stellen mussten einen festen Untergrund aufweisen, damit Menschen und Vieh nicht etwa im weichen, z.B. sandigen Grund versank.

 Eine solche Verbindung zwischen beiden Weserufern bildete bereits in der Vorzeit durch felsigen Grund die Weserfurt bei Latferde.


Die als Verkehrsverbindung für wandernde Völkergruppen, Handels- und Heereszüge wichtige Furt gab dem Ort zunächst den Namen „Lofurdi‘, d. h. Furt am Lo, am heiligen Wald. Dieses wurde bereits im Jahr 822 im Güterverzeichnis des Klosters Corvey dokumentiert. Diese Furt verband die wichtigsten Straßen vom rechten Weserufer von Latferde über Börry, Eschershausen nach Goslar - Halberstadt, bzw. über Latferder Berg, Voremberg, Coppenbrügge zur Hauptstraße Minden - Hildesheim mit der Straße vom linken Weserufer über Grohnde, Welsede, Schieder, Horn nach Paderborn. Diese Weserfurt hat sicherlich auch eine große Bedeutung gehabt bei den Feldzügen der Römer gegen die Germanen. Zu Beginn unserer Zeitrechnung - 9 n. Chr. unter Varus, 14/15 und 16. n. Chr. unter Germanicus - zogen sie gegen die Cherusker, die damals dieses Gebiet bewohnten.

In späterer Zeit, als der Schiffsverkehr immer weiter zunahm, waren die Klippen in der Weser eine große Gefährdung. Als Sicherheit für die Weserschifffahrt wurde bei Latferde 1844 ein Signalpfahl errichtet. Von 1844 bis 1873 im Garten von Zeddies. Zur Bedienung des Signalpfahles wurde ein Wärter eingestellt. Ein Teil der Klippen wurde in den 40er und der Rest in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts beseitigt.

Eine weitere, wenn auch nicht so bedeutende Furt muss in der Weser bei Hagenohsen bestanden haben. Die Weser teilte sich früher in ca. 5 Arme auf. Ein Weserarm floss von Hagenohsen neben Hastenbeck und der Afferdschen Warte vorbei Richtung Hameln, ein anderer unterhalb des Ohrbergs nach Hameln. Dadurch bildeten sich viele Inseln. Auf einer solchen Insel stand früher das Haus Ohsen.

Von dieser Insel bis zum Weserufer von Hagenohsen wird auf dem Merian - Stich von Ohsen aus dem Jahre 1654 ein durch das Wasser fahrendes vierspänniges Fuhrwerk dargestellt.

Diese Furt dürfte dann mit der Trockenlegung des Weserarms zwischen dem Hause Ohsen und Hagenohsen verschwunden sein.

Schon früh erdachten sich Menschen Hilfsmittel, um die Flüsse unabhängig von Furten überqueren zu können. Man baute die ersten Fähren. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelten sich unterschiedliche Fährtypen. Die ersten und in ihrer Bauweise am einfachsten gestaltet waren die Floßfähren. Die Einbaumstämme beließ man in ihrer natürlichen Rundung und arbeitete in beide Enden Löcher ein, durch die Querhölzer geführt wurden. So erhielt man ein mehr oder weniger breites Floß, je nach Anzahl der verbundenen Stämme. Mit den Floßfähren wurden Wagen oder Großvieh übergesetzt, während man häufig für Personentransporte einfach Einbäume benutzte.

Der vorgeschichtliche Mensch kam irgendwann auf die Idee, die Baumstämme der Flöße auszuhöhlen. Man erkannte die höhere Tragkraft und ersetzte im Laufe der Zeit die Floßfähren durch Einbaumfähren. Floßfähren und Einbaumfähren haben lange nebeneinander bestanden. Beide Fährtypen wurden mit Hilfe von Staken und Stechpaddeln fortbewegt.

Bei Ohsen setzte der englische König mit der Fähre über. Seit Georg Ludwig 1714 König von Großbritannien geworden war, suchte er in Pyrmont Ruhe und dringend notwendige Erholung. Erstmals gelang ihm das nach zwei Jahren Regentschaft - im Jahr 1716. Es ist schwer, sich heute den Ablauf der königlichen Reisen vom Schloss Hannover zum einfachen Quartier in Pyrmont vorzustellen. Die große Zahl an Wagen und die zahlreichen Personen im Gefolge machten den Ablauf der Fahrt sicher nicht einfach. Eine Überraschung barg da die Akte über „Ablager und Reisen Hannoverscher Regenten nach Pyrmont“ des Amtes Ohsen Die Fahrten gingen nicht - wie man denken könnte - über die Hamelner Weserbrücke, sondern die ganze Suite setzte in Ohsen mit der Fähre über die Weser. Nun waren allerdings damals alle Wege, sowohl über Hameln - Grießem als auch über Ohsen - Hämelschenburg in einem äußerst schlechten Zustand. Sie waren noch bis Ende des 18. Jahrhunderts unbefestigt und ungepflegt. Bei Regenwetter versanken die Wagen im Morast - man konnte kaum reisen. Reisen von Hameln bis Pyrmont über den Grießemer Berg dauerten fast 7 Stunden. Vielleicht war der Weg von Springe über Ohsen geringfügig kürzer. Vielleicht war der Weg durch das Emmertal etwas bequemer, indem man den steilen Grießemer Berg, damals noch ohne Kurven, vermied. Wie auch immer - das alles beantwortet die Frage nicht, warum man um Himmels Willen, mit dem großen Gefolge die Umstände auf sich nahm, die das Übersetzen mit der Fähre brachte.

Durch geschickte Organisation des Pferdewechsels und der Umladung der bäuerlichen Leiterwagen konnte man vielleicht die Verzögerung etwas mindern. Auch hat man wohl die Zeit des Übersetzens als Ruhepause und für ein Mittagsmahl benutzen können. Seit 1713 wurde die Grohnder Fähre zusätzlich nach Ohsen beordert. Wahrscheinlich war auch der Verkehr auf der Landstraße durch und um das Emmertal geringer als auf der Fernstraße in den Osten über Hameln. Dennoch: Das Gewühl an Menschen, Pferden und Wagen beim Übersetzen über die Weser muss unvorstellbar langwierig gewesen sein!

Die Akten brachten eine zweite Überraschung zu Tage. Die Reise von Hannover nach Pyrmont wurde an einem einzigen Tag bewältigt. Das war eine Leistung auf schlechten Straßen von mehr als 60 Kilometern!

Seit 1716 als Georg Ludwig König von Großbritannien reiste - teilte man den ganzen Zug in zwei der drei Suiten auf. Das erleichterte sicherlich die Reise. Eine Übernachtung in Springe war nicht eingeplant. Die Springer Akte „Landfolgen beim Durchpassieren hoher Herrschaften“ ergibt, dass auch dorthin Vorspannpferde zum Wechseln und bäuerliche Leiterwagen für die Bagage beordert worden waren. Der Kurfürst und König durfte wohl in der Regel nicht mit der großen Suite gefahren sein. Vielleicht ist er teilweise geritten. 1716 heißt es allerdings, dass „unser allergnädigster Herr nebst Hofstatt über Ohsen nach Pyrmont zu gehen gewillt ist“. Die Reisen nach Pyrmont und der Kuraufenthalt waren zu Zeiten König Georg I. noch mit allerhand Unbequemlichkeiten verbunden. Von der romantischen Reiselust des Joseph von Eichendorff war man noch weit entfernt.

Neben den Ortschaften Ohr und Tündern kann auch das ursprüngliche Ohsen auf eine lange Fährtradition zurückblicken. Die ersten Hinweise für das Bestehen einer Fähre zu Ohsen stammen aus dem 17. Jahrhundert. Einmal ist auf dem bereits erwähnten Stich von 1654 auch die Fähre von Ohsen eingezeichnet. Darüber hinaus zeigen Schriftstücke auf, dass die Erben des Chur - Cölnischen Cantziers 1690 Anspruch auf den Besitz der „Vehre zu Ohsen“ erheben, als einem vom Stift Hildesheim verliehenen Lehen. Die Fähre muss also im Besitz des Stiftes gewesen sein.

Da das Haus Ohsen über mehrere Jahrhunderte Sitz verschiedener Herrscherhäuser war und die Fürsten für ihre Reisen wie auch ihre Kriege einen Weserübergang brauchten, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Fähre zu Ohsen schon lange vor den genannten Daten bestanden hat. Im Jahre 1763 wird von Schwierigkeiten berichtet, die für den Fährdienst immer wieder auftraten. So hatte sich in der Weser eine Sandbank gebildet. Zu ihrer Beseitigung musste der beim Amt Grohnde befindliche Weserpflug geholt werden. Der Pflug wurde von 6 Leuten ins Wasser geführt. 28 Leute mussten wiederum den Pflug durch das Wasser ziehen. Hilfskräfte, das benutzte Material und die Geräte musste der Fährmann bezahlen. Diese Aufgabe stellte er dann dem Amt in Rechnung. Zum Schutz der Fähre bei schlechtem Wetter und im Winter baute man sog. Hafe, eine Pfahlkonstruktion zum Schutz der Fähre gegen Sturm und Eisgang.

Aus den Jahren 1826 bis 1872 liegen Berichte vor, dass die Winter sehr kalt waren und damit die Weser aufzueisen war, um die Passage für die Fähre freizuhalten. Jahr für Jahr wurden dafür die Handdienste der dienstpflichtigen Einwohner gebraucht.

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Initiator der Festschrift: Wolfgang Jürgens, Bilder und Beiträge stellten August Brandau, Klaus Kuhrmeyer und Gerd von Daacke zur Verfügung.