Geschichte
Das heutige Kirchohsen in der Gemeinde Emmerthal war vor rund 1000 Jahren eine sumpfige, von vielen Wasserarmen durchzogene Wildnis.
Nach der letzten Eiszeit hatte sich im Laufe der Zeit durch Ablagerungen von Schlamm und Sand eine fruchtbare Löß-Lehmschicht gebildet, auf der bald Pflanzen aller Art wuchsen. In dieser Zeit kamen auch die ersten Menschen an den Ort, der sich heute Kirchohsen nennt. Sie wohnten in Laubhütten und Höhlen. Dann, ungefähr 500 Jahre v. Chr. siedelten sich in der Gegend die ersten Germanen an, die aus dem Norden von der Halbinsel Jütland (Dänemark) auf Einbäumen die Weser aufwärts gekommen waren.
Zunächst waren es die Cherusker, dann die Engem und später die Sachsen, genauer gesagt die Niedersachsen, die ihre neue Heimat im Weserland fanden. Sie waren Heiden - glaubten an Wodan und andere Götter.
Das Gebiet rund um die Weser ging dann in der Schlacht im Teutoburger Wald im Jahre 9 v. Chr. in die Geschichte ein, als der Cheruskerfürst Hermann an der Emmer, bei Horn und am Teutoburger Wald die eingedrungenen Römer an den Rhein zurückwarf.
Viel später kamen auch die ersten Glaubensboten aus Irland in den Weserraum. Sie wollten unsere Vorfahren zu Christen bekehren. Dieses Unterfangen bedurfte jedoch noch eines über dreißigjährigen erbitterten Kampfes, dessen Seele auf sächsischer Seite der Herzog Widukind war. Man schrieb das Jahr 784, als sein großer Gegner, der Frankenkönig Karl, im 14 km entfernten Lügde im Emmerthal das Weihnachtsfest feierte.
Im Anschluss an die militärische Unterwerfung der Sachsen beauftragte der Frankenkönig Karl fränkische Geistliche, den unterworfenen Sachsen das Christentum zu predigen.
Diese Missionierung erfolgte von vorher festgelegten Missionszentren aus, die erst später zusammengelegt wurden. An der Weserlinie waren dies im Norden Minden, weiter südlich für den Tilithigau zunächst Hameln, aber schon bald Ohsen. Die Leitung dieses Bezirkes erhielt der aus Würzburg stammende Ercanbertus, der die an der Weser liegenden Bezirke zum Bistum Minden zusammenfasste. Ercanbert war ein Bruder des Abtes von Fulda und hat durch eigene oder von ihm veranlasste Schenkungen den Grundstock für die reichen in der Hamelner Gegend liegenden Besitzungen des von Fulda aus gegründeten Klosters St. Romani, des späteren Bonifaziusstiftes in Hameln gelegt.
Dass Ohsen im Jahre 1004 schon mit der Abschleifung des Namensendes Ohsen und nicht wie ursprünglich mit der vollen Namensform - Oihusen - geschrieben ist, beweist, dass der Ort damals schon eine Reihe von Generationen bestanden hat, also wohl in sächsische Zeiten zurückreichen kann.
Dann bauten die Franken auf einer Insel in der Weser, dem Leuenwerder, eine Schutz- und Trutzburg gegen die östlichen heidnischen Sachsen. Sie hieß Ohausen das bedeutet „Festes Haus am Wasser‘. Diese Burg hat in den Sachsenkriegen eine Rolle gespielt. Doch unrichtig ist, dass Herzog Wittekind bzw. Widukind in dem großen Turm in Ohsen gefangen gehalten wurde.
Karl der Franke befahl dann am linken Ufer der Weser eine Holzkirche zu bauen. Karl weihte das Gotteshaus mit dem goldenen Buchstaben Z. Noch im Jahre 1765 wird ein Fenster erwähnt, das Karl den Großen sehr schön gemalt zeigte und die Unterschrift trug:
„König Carolus Magnus Fundator Ecclesiae in Osen MCLX" - d.h. Karl der Große, Gründer der Kirche in Ohsen.
Dafür, dass die Kirche in Ohsen in fränkischer Zeit gegründet ist, spricht, dass sie St. Petrus gewidmet ist, dem Heiligen, dem von den Franken besondere Verehrung entgegengebracht wurde. Der Pfarrer und spätere Archidiakon von Ohsen war Kirchenpatron über weitere Peterskirchen in Aerzen, Hemeringen, Münder, was auf das höhere Alter der Ohsener Kirche schließen lässt. Die Diozösangrenze reichte bis Polle, bei Stadtoldendorf, Vogler, Ith, Lügde und Coppenbrügge. Danach ist die Kirche in Ohsen die um das Jahr 780 errichtete Urkirche im Raum Tilithigau gewesen.
Im 11. Jahrhundert entwickelte sich das Archidiakonat Ohsen zum größten Unterbezirk des Bistums Minden. Um 1500 gehörten dazu 54 Kirchen und Kapellen zwischen Schaumburg und Polle.
Zum Unterschied von dem Schloss und der Villa Ohsen wurde später der Ort, in dem sich die Kirche befand, Kirchohsen bzw. Kirchohsen genannt.
Doch die erste amtliche Erwähnung Ohsens stammt aus dem Jahre 1004, in dem der deutsche König Heinrich II., der Heilige, aus dem sächsischen Kaiserhause in der Villa Ohsen eine Urkunde unterzeichnet hat. Ohsen ist auch der Ausstellungsort der Immunitätsurkunde für das Kloster Fischbeck.
Die deutschen Könige hatten bis zum 12. Jahrhundert noch keine festen Residenzen, sondern reisten mit kürzeren oder längeren Aufenthalten in ihren Königspfalzen das ganze Jahr über in ihrem Reich umher. Sie führten mit sich ihre Kanzlei, Ritter und Reitersknechte zu ihrem Schutz und einen umfangreichen Tross, wohl rund 300 Mann.
Die Reisewege sind durch die Ortsangabe der unterwegs ausgestellten Königsurkunden bekannt. Ohsen kommt nur einmal in den Aufzeichnungen vor und zwar 1004. König Heinrich urkundete am 1. Juli 1004 in Mainz, am 20. Juli 1004 in Villa Ohsen, am 1. August 1004 in Magdeburg; er befand sich also auf einer Reise von Mainz nach Magdeburg.
Villa bedeutet in Urkunden durchweg Dorf, Gutshof oder Wirtschaftshof. Warum Heinrich sein Quartier in Ohsen und nicht in Hameln nahm, mag damit begründet sein, dass auf den Leuenwerder bei Ohsen ein großer befestigter Hof - Villa Ohsen - für den großen Tross zur Verfügung stand.
Das Dorf hieß bis in die Neuzeit hinein wie die Burg nur Ohsen neben dem alten Dorf Nordohsen (heutiger Friedhof). Der Name Kirchohsen kam erst nach der Entstehung des Dorfes Hagenohsen auf.
Hingegen wird die „weltliche Macht“ in Gestalt der Grafen von Everstein und der Burg. Ohsen urkundlich erstmals 1259 nachgewiesen. In Südniedersachsen waren die Grafen von Everstein und die Edelherren von Homburg die mächtigsten Dynastienfamilien, die nach dem Tode von Heinrich dem Löwen und der Auflösung des Herzogtums Sachsen im Jahre 1180 ihren großen Eigenbesitz zu einer Art Landesherrschaft bündelten. Die Eversteiner Güter lagen an der Diemel bei Marsberg, Warburg, Scherfede und an der Weser bis Lippoldsberg bei Göttingen und im Eichsfeld.
Die Homburger hatten ihren ausgedehnten Besitz zwischen Leine und Weser. An der Weser grenzte und überschnitt sich beider Herrschaftsbereich in den Eversteinschen Burgen und Städten Everstein, Holzminden, Polle, Ottenstein, Aerzen, Hämelschenburg, Ohsen und der Vogtei Hameln, sowie in den Homburgischen Klöstern Amelungsborn und Kemnade, ihren Burgen Bodenwerder, Grohnde und der Vogtei Tündern.
Während die Homburger stets Gefolgsleute Heinrich des Löwen waren, hatten die Eversteiner im Kampf mit Kaiser Friedrich Barbarossa auf Seiten des Kaisers gestanden. Nach Heinrichs Sturz suchten sie für ihre Sicherheit beim Herzog von Westfalen und damit beim Erzbischof von Köln vertragliche Hilfe gegen die sich nach Südwesten drängenden Herzöge von Braunschweig-Lüneburg. Graf Conrad von Everstein übertrug 1259 die Burg Ohsen dem Erzbischof von Köln und nahm die Hälfte davon wieder als Lehen, 1263 ebenso die Burg Everstein und die Vogtei über die halbe Stadt Hameln.
Trotzdem blieb die Hilfe aus Köln aus, als die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg bei ihrem Vorstoß an die Weser den Eversteinern 1264 Hameln und 1284 die Burg Everstein abnahmen. Die Grafen von Everstein nahmen nunmehr ihren Sitz in Polle und Ohsen. Nach 1283 ist. von einer Verpfändung der Burg Ohsen an Köln nicht mehr die Rede.
Heinrich von Homburg war kinderlos verheiratet und auch Hermann Graf Everstein hatte bis 1399 keine Leibeserben. Das war für die benachbarten Dynastienfamilien und den Paderborner Bischof Anlass sich um die Erbschaft zu bemühen. Aber auch die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg wollten ihren Besitz bis an die Weser ausdehnen. Die Erbschaft Homburg ging an den Grafen Moritz von Spiegelberg, der Graf von Everstein nahm den Zusatznamen Edler Herr zu Lippe an und behielt Schloss Ohsen.
Die Spiegelberger hegten aber Groll auf die Braunschweiger Herzöge und verbündeten sich mit dem Bischof von Hildesheim. Im Jahre 1421 kam es zum Kampf bis 1423, Ohsen und Grohnde wurden von den Herzögen belagert und des Bischofs Heer bei Grohnde vernichtend geschlagen. Die Herzöge wohnten danach zeitweise in Ohsen und hatten das Münzrecht.
Aber es waren keine friedvollen Zeiten damals, denn durch viele Fehden wechselte Ohsen oft den Besitzer.
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Initiator der Festschrift: Wolfgang Jürgens, Bilder und Beiträge stellten August Brandau, Klaus Kuhrmeyer und Gerd von Daacke zur Verfügung.